25. April 2024
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Jolly Jay im Interview: „Battlerap sollte nie kommerziell erfolgreich werden“

Jolly Jay im Interview: „Battlerap sollte nie kommerziell erfolgreich werden“

Das Battlerap-Jahr 2018 neigt sich so langsam dem Ende zu. Bist du im Großen und Ganzen zufrieden, wie es gelaufen ist?

Auf jeden Fall. Wir haben mit dem Dissember-Event noch ein richtiges Highlight und beenden damit ein spannendes Battlejahr. Nicht nur bei uns, sondern in ganz Deutschland und auch weltweit ist richtig viel passiert in 2018.

Was hat sich international so getan?

Ich verfolge natürlich die englischen Sachen sehr, weil ich ja von dort komme. Das war so ein bisschen tot, nachdem „Don’t Flop“ gestorben ist, aber die kleinen Ligen haben sich echt ganz gut aufgebaut dieses Jahr, da war viel los. „Don’t Flop“ ist dann auch wieder zurückgekommen und generell gab es einfach große, coole Matches, zum Beispiel „Dizaster vs. Oxxxymoron“ und bei „KOTD“ und „URL“ gab es auch noch ein einige Klassiker. Und die ganzen Kinofilme, die grade kommen! „Bodied“ von Eminem, in England läuft „VS.“ an und es gibt noch eine neue Doku über UK-Battlerap, die gerade rausgekommen ist. Dann gab‘s „Das schönste Mädchen der Welt“ in Deutschland, wo auch noch eine Menge Battlerapper dabei waren. Es war einfach ein produktives Jahr für Battle-Rap.

Für alle, die nicht so tief in der Materie sind: „Don’t Flop“ wurde eingestellt?

Es gab ‘ne Zeit, wo die Liga ein bisschen tot war, weil es intern im Team Streit gab. Inzwischen ist zwar nicht wieder alles beim Alten, aber wenigstens wieder etwas Leben drin. Aber in der Zeit, wo da nichts passiert ist, sind eben drei, vier andere Ligen größer geworden. Jetzt gibt es insgesamt so circa fünf bis sieben.

Du hast beim letzten Event in Dortmund nach fast einem Jahr wieder selber gebattled. Woran lag es, dass du plötzlich wieder Lust darauf hattest?

Ich hab‘ eigentlich immer Bock, es ist ja auch meine Leidenschaft. Es gab mehrere Gründe, warum ich das gemacht habe. Einerseits, weil es mich wieder gejuckt hat, andererseits aufgrund dieser ganzen Turniere mit Kollegah und unseren beiden Groß-Events um den Termin herum. Daher war es am Ende auch eine Frage des Bookings, weil es einfach schwierig war, genug Main Matches aufzustellen. Buddi wollte auch schon lange ein englisches Battle und ich habe ihm immer gesagt, irgendwann klappt es. Mit dem bilingualen Battle haben wir jetzt einen guten Kompromiss gefunden.

Warum wollte Buddi unbedingt auf Englisch battlen? Ist er selbst bilingual aufgewachsen?

Nee, ich glaube nicht. Er feiert auch diese ganzen UK- und Amibattles und wollte sich daher einfach selber austesten. Ich war ehrlich gesagt immer so ein bisschen skeptisch und habe ihn gefragt, ob er das wirklich kann. Aber seine englische Runde war stabil.

Du hast ja auch bei „Don’t Flop“ viel gebattled. Was unterscheidet eine deutsche Crowd von einer englischen?

Es gibt nicht so wirklich klassische Unterschiede, aber man schreibt schon anders für eine deutsche Crowd als für eine englische. In meinem Buddi-Battle sieht man das auch wieder – ein Engländer würden da viele Referenzen auf deutschen Battlerap ja gar nicht verstehen. Ich glaube, wenn ich das nächste Mal battle, wird es in wieder in nur einer Sprache sein.

Du würdest also wieder in UK battlen?

Irgendwann auf jeden Fall. Gerade ist die Situation ein bisschen kompliziert wegen den ganzen Ligen und ich weiß nicht, wo ich Lust hätte zu battlen – früher war halt klar, dass man zu „Don’t Flop“ geht. Seitdem sich dort so viel geändert hat, ist die Motivation irgendwie immer grösser gewesen, hier zu battlen.

Dein Bilingual-Battle gegen Brian Damage hat szeneintern einen kleinen Hype ausgelöst, jedenfalls wollten dich alle unbedingt wieder battlen sehen. Wie bist du damit umgegangen?

Ach, so habe ich das gar nicht wahrgenommen. Das Battle kam schon gut an, aber ich habe mich nicht von den Anfragen genervt gefühlt oder so. Es freut mich ja auch, wenn die Leute Bock drauf haben – ich hab ja auch Bock drauf. Es ist eher ‘ne Motivation als irgendwas anderes. Es ist nur nicht immer optimal, wenn man auf seiner eigenen Veranstaltung battlen muss, weil man auch immer jede Menge andere Sachen im Kopf hat. Allerdings gibt es auch keine andere Liga, wo ich lieber battlen würde.

Dass du der Veranstalter von DLTLLY bist, greifen deine Gegner in ihren Runden ja auch immer wieder auf. Kommen sich das Dasein als Liga-Gründer und Battle-MC manchmal in die Quere?

Ja, das ist schwierig. Ich würde zum Beispiel nie auf der eigenen Plattform ein Battle mit Jury machen, das fände ich irgendwie unangebracht. Und es ist wie gesagt angenehmer, nur als Künstler auf eine Veranstaltung zu gehen, ohne gleichzeitig der Ansprechpartner für alles zu sein. Aber sonst geht es eigentlich. Sobald man dann in der Cypher steht und sich auf den Gegner vorbereitet hat, ist die Situation egal, dann geht es einfach ums Battle.

 

 

Im November fanden in Dortmund drei große Battle-Events von drei Ligen unmittelbar hintereinander statt. Merkst du, dass die Planung dadurch um Einiges schwieriger wird?

Diese Ecke von Deutschland ist so voll mit guten MCs, im Ruhrpott hatten wir eigentlich noch nie größere Probleme mit dem Line-Up. Deswegen ist es auch gut, dass Merlin mit seiner Liga neue Talente fördert. Natürlich ist es mittlerweile anders als vor drei Jahren, es gibt schon mehr Veranstalter und man zieht an den gleichen Fäden; will manchmal dieselben MCs buchen. Nichtsdestotrotz ist alles sehr freundschaftlich und man hilft sich gegenseitig. Im Endeffekt ist alles eher eine Leidenschaft als ein reines Business. Aber zur gleichen Zeit müssen wir natürlich trotzdem gucken, dass wir unser Ding machen – wer dann zuerst die Zusage hat, hat die Zusage. Ich habe aber noch nie irgendjemandem übel genommen, dass er woanders ein Battle gemacht hat.

Für das „Dissember“-Event hast du mit Marlo und Shuffe T zwei der bekanntesten Battlerapper weltweit gebucht. Wie sieht das auf dieser Ebene aus, ist es da dann eher ein reines Business-Model?

Das englische Match hat mit Business überhaupt nichts zu tun, im Gegenteil: Das ist das Unschlauste, was man eigentlich aus Business-Perspektive machen kann. Wir machen das echt nur aus Fansicht, weil – LEIDER – die ganzen englischen Leute, egal wie groß sie sind, hier einfach nicht besonders bekannt sind. Selbst ein Pat Stay hat bei Tierstars Liga die Leute weniger interessiert als jedes andere Match an dem Abend. Dieses englische 2on2 im Dezember hätte ja eigentlich schon im Mai stattfinden sollen und war damals bei der Umfrage vorher das, was am wenigsten Interesse bekommen hat. Weltweit ist es aber natürlich das Relevanteste. Mehr Tickets verkaufen wir dadurch aber bestimmt nicht. Wir werden aus Fansicht aber trotzdem weiter International Battles buchen, davon kann die deutsche Szene nur profitieren – gerade, weil man in UK und den USA einfach schon ein bisschen weiter ist.

Du hast eben schon den Eminem-Film angesprochen. Glaubst du, dass durch „Bodied“ noch einmal ein Battlerap-Hype entsteht und mehr Leute auf die Kultur aufmerksam macht?

Ich kann’s mir vorstellen, wenn es auch nur halb so viel Aufmerksamkeit bekommt wie damals „8 Mile“. Wenn man überlegt, wie das damals eingeschlagen hat… das werden nicht viele zugeben, aber ich glaube 90% der MCs sind durch diesen Film erst zu Battlerap gekommen. Auch mich selbst hat er geprägt.

Und du guckst ihn dir wahrscheinlich auch an, oder?

Ich freu mich mega drauf! Der wird richtig gut, glaube ich. Ich habe echt gute Reviews gesehen und kenne auch viele von den Leuten, die da mitspielen. Ich hatte wegen dem Trailer ein bisschen Angst, der sah etwas trashig aus…

.. und der Film erscheint direkt auf YouTube Red, wo man vielleicht auch eher eine Low Budget-Produktion erwartet..

.. genau, aber ich habe nur Gutes gehört. Der hat auch schon auf Filmfestivals gewonnen, also nicht nur von Battle-Publikum positives Feedback gekriegt. Bei „VS.“ hieß es, dass Shotty Horroh das einzig Gute an dem Film ist, aber von „Bodied“ habe ich nur Gutes gehört.

Du hast ja sicher von der Echo-Debatte mitbekommen. Bei dieser Geschichte ist mir aufgefallen, dass in den Battlerap-Ligen viel krassere Lines fallen als solche, die bei Kollegah & Farid Bang skandalisiert wurden. Denkt ihr darüber nach, ob ihr darauf reagieren müsst und überdenkt, wie ihr mit einzelnen Lines umgehen müsst oder geht ihr davon aus, dass man das innerhalb der Subkultur versteht?

Das ist interessant, was du sagst. Dass das innerhalb der Subkultur jeder versteht, davon gehe ich eigentlich aus. Aber ich merke langsam, dass das ein naiver Gedanke ist. Schwarzen Humor, der ja im Battlerap unfassbar präsent ist, muss man verstehen – das ist auch eine Frage des Intellekts. Und unter Freunden kann man einen Witz immer anders erzählen als unter Fremden. Ich gehe davon aus, dass die Battlecommunity – nicht nur in Deutschland, sondern weltweit – diesen Intellekt teilt, sonst wären wir nicht eine Community und würden uns beleidigen lassen, aber anschließend auch darüber lachen können. Und daher gehe ich davon aus, dass man da eine dickere Haut hat und auch über gewisse Themen stehen kann, die natürlich nicht witzig sind. Ich würde niemals behaupten, dass Rassismus witzig ist, im Gegenteil, es ist furchtbar – aber man muss auch über Sachen lachen können, um drüberzustehen. Ich bin Engländer, da geht es darum. Es ist eine Beerdigung und Leute machen Witze, weil Lachen die beste Medizin ist.

Nichtsdestotrotz weiß ich natürlich: Je mehr Leute man erreicht, umso kritischer wird es, weil dann vielleicht auch Leute dabei sind, die nicht gleich denken. Zum Beispiel Rechte, die Rassismus dann wirklich befürworten oder Leute, die tagtäglich selbst mit Rassismus konfrontiert werden. Ich würde niemals mit einem Schwarzen, der Schwarzen-Lines nicht lustig findet, streiten, denn ich kann nicht aus seiner Sicht sprechen.

Um das noch einmal an einem Beispiel zu erklären: Bei einem rassistischen Witz lache ich persönlich nicht über die Minderheit, die in dem Witz verarscht wird, sondern über die Absurdität des Rassismus. Humor ist auch eine Form von Kritik – wenn man keine Witze drüber machen kann, kann man es auch nicht kritisieren. Es ist immer eine schwierige Debatte, die natürlich immer relevanter wird, je größer die Szene wird. Deswegen sollte Battlerap auch nie kommerziell erfolgreich werden. Es sollte immer eine Nische sein, die zwar größer wird und auch Leuten ermöglichen sollte, eines Tages davon zu leben, aber nie Mainstream werden. Sonst passiert sowas wie bei Kolle beim Echo.

In der Debatte wurde meiner Meinung nach auch sehr viel zusammen in einen Topf geworden. Das ging schon mit dem inflationären Gebrauch des Wortes „Battlerap“ los.

Kollegah sagt ja immer selber, es sei ja nur Battlerap. Für mich ist Battlerap aber, wenn du dastehst und einen Gegner hast. Einen Track zu machen, ist für mich kein Battlerap. Ich seh‘ da beide Seiten: Auf der einen Seite habe ich das Bedürfnis, Kolle in Schutz zu nehmen, da er unverhältnismäßig ins Kreuzfeuer genommen wurde. Auf der anderen Seite muss ich sagen, er ist halt kein Untergrund-Rapper, er ist Chartrapper, das will er ja auch. Aber wenn man Chartrapper ist, ist man erstens kein Battlerapper – denn Battlerap hat nichts mit Musik zu tun, sondern einem Gegner – und du hast meiner Meinung nach andere ‘Regeln’, weil eine breitere Masse dir zuhört.

Um Battlerap zu erklären, bemüht man ja immer das Bild eines Boxkampfs…

Genau, es gibt abgemachte Regeln. Wenn Mike Tyson herumläuft und Leuten in die Fresse haut, ist das natürlich uncool, aber man kann es nicht kritisieren, wenn er sich im Ring mit seinen Gegnern boxt. Das ist die Sportart, deswegen haben sie sich getroffen – wer damit ein Problem hat, soll sich das dann einfach nicht anschauen. Außerhalb des Battles beleidigen wir schließlich auch keine Leute, im Gegenteil! Unsere Veranstaltungen sind total friedlich, wir haben teilweise nicht mal Securitys.

Machst du dir manchmal Sorgen, dass ein Redakteur einer großen Tageszeitung oder eines Senders eure Liga entdeckt, das nicht einordnen kann oder möchte und einen riesigen Skandal lostritt?

Naja, nicht wirklich. Was wäre denn, wenn das passieren würde? Was sollte berichtet werden?

Naja, dass sich zwei Leute auf einer Bühne beleidigen mit Aussagen, die man außerhalb dieses Kontextes als rassistisch oder gewaltverherrlichend bezeichnen könnte und das Publikum das unreflektiert feiert – so könnte jedenfalls das Bild aussehen, das widergegeben wird.

Von allen Themen ist das das Allerschwierigste, weil es momentan leider einfach so total viel Rassismus gibt. Wir positionieren uns vollkommen gegen Rassismus. Aber man muss echt aufpassen: Natürlich bin ich auch gegen Gewalt, gegen Judenfeindlichkeit, gegen Frauenfeindlichkeit, gegen Schwulenfeindlichkeit. Aber wenn man all diese Themen rauslässt, dann gibt es keinen Battlerap. Es geht auch darum, aus diesen Zuständen auszubrechen. Wenn man anfängt, bei bestimmten Themen zu sagen „Das geht zu weit“, dann ist man im Battlerap einfach falsch. Das ist übrigens auch ein rein deutsches Phänomen.

Wie meinst du das?

Im internationalen Vergleich hat Deutschland einfach mehr diese „Stock-im-Arsch“-Mentalität und man sieht Dinge allgemein mit weniger Humor – das ist bei Battlerap natürlich kritisch. Ich verfolge Battlerap schon seit 20 Jahren. In England und Amerika gab es viel, viel krassere und kontroversere Zeilen, die aber nicht annähernd so diskutiert wurden wie hier. Hier können die Leute oft einfach nicht zwischen Show und dem echten Leben unterscheiden. Man muss sich nur die Englisch/Amerikanischen Stand-Up-Comedians anschauen, Louis C.K., Ricky Gervais, Dave Chapelle. Die überschreiten sowas von Grenzen. Die machen Witze über krebskranke Kinder, über Rassismus, über alles! Das heißt aber nicht, dass die vor solchen Themen keinen Respekt haben, sondern das heißt, dass man Humor und Realität in zwei verschiedenen Welten betrachten kann, denn so kann man Dinge auch bearbeiten. Und diese Kultur ist in Deutschland vielleicht noch nicht so präsent wie in anderen Ländern.

Wenn wir jetzt nochmal zurück zu „Bodied“ gehen, also einem Battlerap-Film, der einen hohen kommerziellen Anspruch hat. Da müsste die Diskussion um Grenzen in den USA doch längst im Mainstream angekommen sein.

Ich kenne ja einige von den Leuten, die da mitmachen und bekomme die Diskussionen um den Film, zum Beispiel bei Facebook, entsprechend mit. Diese Leute sagen, dass der Film quasi vor fünf bis zehn Jahren spielt. Und auf die Frage warum hieß es, dass das Thema „Rassismus im Battlerap“ damals so präsent war. Die Handlung erzählt ja von einem weißen Jungen aus der Oberschicht, der versucht Battlerap zu verstehen und sich diese Kultur anzueignen. Dabei wird er dann immer wieder mit Rassismus-Vorwürfen konfrontiert. Aber die ganzen Battlerapper sagen, diese Diskussionen gibt es in den USA heute nicht mehr, die Leute haben dort mittlerweile verstanden, was Battlerap ist. Mittlerweile nervt es mich auch, weil ich gefühlt seit drei Jahren drüber rede.

Zum Abschluss: Kannst du schon Details über das kommende Jahr bei DLTLLY verraten?

In erster Linie hoffen wir natürlich, dass es weiter wächst und neue Talente dazukommen wie dieses Jahr zum Beispiel Wolff, Joseph Steinschleuder oder Ano-Nym. Es wird auf jeden Fall noch einmal ein Newcomer-Turnier geben, das lief dieses Jahr richtig gut. Und wir werden versuchen, noch mehr Content zu bringen – nicht nur Battlerap, sondern auch anderes Zeug.

Autor: Friedrich Steffes-lay

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