Ich habe vermutlich seit zehn Jahren kein Sido-Album mehr aktiv verfolgt oder den Drang verspürt, unbedingt in eines der Alben reinzuhören – hier und da mal eine Single gehört, aber auf Albumlänge konnte es mich einfach nicht fesseln. Viel zu oft wurde ich enttäuscht, wenn es wieder hieß, es komme nun ein Oldschool-Album, aber dann doch wieder die Andreas Bourani und Mark Forster Hooks aus den Boxen knallten, oder der nächste Kitsch-Song wirkte, als sei es doch nur noch ein kalkulierter Versuch ins Radio zu kommen.
Sidos Singles und seine letzten Alben klangen häufig gleich. Handwerklich ist das alles auch gar nicht verkehrt: Sidos Flow ist on point, er rappt total routiniert, die Beats sind super ausproduzierte Stücke – es passt eigentlich alles. Aber genau das war auch jahrelang mein Problem mit Sidos Musik. Er hat seine Komfortzone vor Jahren gefunden und seither auch nicht mehr verlassen, sein für sich perfektes Rezept zum Musik machen entwickelt und sich jahrelang darauf ausgeruht, ohne auch nur einen Gedanke daran zu verschwenden, ob man nicht doch an manchen Stellen optimieren könnte, oder es nicht mit der Zeit auch langweilig werden könnte, jede Woche dasselbe zu essen. Damit scheint nun (endlich) Schluss zu sein.
Die beiden Vorboten zu seinem kommenden Album „Ich & Keine Maske“ wirken wieder, als hätte er unfassbar Bock zu rappen. Mit seinem Song „Wie Papa“ spricht er es deutlich an – Sido scheint unzufrieden zu sein, wie sich die Rapszene derzeit entwickelt. Statt sich anzupassen, probiert er selbst einen Schritt in die richtige Richtung zu gehen und es besser zu machen. Passend dazu sagt er selbst:
Doch ich muss weitermachen denn die Modus Mio Playlist geht mir auf den Sack.
Kurz gesagt: Es funktioniert. Die Attitüde, die er auf „Wie Papa“ und „Das Buch“ rüber bringt, konnte man schon jahrelang nicht mehr beobachten. Auf „Das Buch“ trotzt er den Ganzen aktuellen Hypes und bleibt von diesen unbeeindruckt – denn er weiß, solche Hypes können auch ganz schnell vorbei sein, während Sido schon seit über 15 Jahren erfolgreich ist. Eine kleine Kampfansage an alle Hype-Rapper. Es scheint so, als würde es der „alte Herr“ nochmal wissen wollen und der Jugend zeigen, wie man es macht. Es wirkt fast so, als wäre der Sido von vor über 10 Jahren wieder erwacht und das Ganze sogar ohne einfach nur alte Songs zu kopieren und irgendein Teil zwei anzukündigen, der eigentlich in keinster Weise zum Vorgänger passt. Sido bringt mit „Ich & keine Maske“ das Album, worauf wir alle schon lange warten.